Fechten im Spiegel der Zeit

Autor: Raphael Mosbach

 

1. Die ersten Fechtmeister

Wie alles war auch die Kunst des Fechtens in der Geschichte vielen Wandlungen unterlegen, die zum einen von der Kultur zum anderen auch von der Technik abhingen. Für das Fechten gibt es verschiedene Wurzeln, aber egal ob Ägypter, Griechen, Germanen oder Römer, der Grund war der gleiche:
Kampf um Besitz und Recht.
Schon zur Zeit der Römer und Griechen gab es Fechtmeister (armarturae doctores) und später wurden in römischen Gladiatorenschulen öffentliche Kämpfe ausgetragen, wobei die Art der Gladiatorenkämpfe, nämlich mit verschiedener Bewaffnung der Kontrahenten, gallischen Ursprungs war. Nach dem Verfall des Römischen Reiches blieben die Gladiatoren in den Provinzen und tingelten durch das Land. Sie wurden Campiones genannt (von Campus, womit der Übungsplatz der Gladiatoren gemeint war). Daraus entwickelten sich die Wörter "Kempe”, "Kemphe” und auch das englische "champion”. Diese Campiones werden im 7. Jh. erwähnt und tauchen auch noch im 10. und 11. Jh. als Berufskämpfer auf. Gladiatoren: aus dem Begleitbuch zur Ausstellung Caesaren und Gladiatoren
(Historisches Museum der Pfalz; Speyer)

(siehe auch im Internet: Die Gladiatorenkämpfe, Gladiatoren- die Helden der Arena)

murmillo und thraex murmillo und hoplomachus Provocator

 

2. Der Begriff der Ritterlichkeit wird geboren

Nach Roms Untergang gab es eine turbulente, kriegerische Zeit in Europa: z.B. drangen 451 die Hunnen bis nach Gallien vor, die Araber kamen im 8. Jh. und die Normannen im 9. und 10. Jh. Es bildeten sich Kaiserreiche und auch die Kirche wurde eine starke Macht. Die Heere wurden aufgerüstet und der Sieg Karls des Großen über die Araber läutete eine neue Ära des Kämpfers ein: der professionelle schwerbewaffnete Reiterkrieger (Ritter). Die Kirche hatte zunächst noch Probleme mit dem den Heiden heiligen Schwert, beteiligte sich dann aber am Ritual der Schwertleite, dem ersten Umgurten des Jünglings mit einem Schwert mit einem Segen: ”Erhöre, Herr, unsere Bitten und segne mit der Hand deiner Majestät dies Schwert, mit dem dieser dein Knecht N.N. umgürtet zu werden begehrt, damit es Verteidigung und Schutz sei für Kirchen, für Witwen und Weisen, für alle Diener Gottes gegen das Wüten der Heiden und denen, die uns bedrohen, Angst, Furcht und Schrecken einflöße ...”(10. Jh.). Mit diesem frommen Wunsch hatte der ritterliche Streiter für alle Zeiten seinen guten Ruf weg und kam in der Standeshierachie gleich nach hohen Geistlichen und Hochadel. Dieser Tugendbegriff wurde noch ausgeweitet auf Begriffe wie Demut, Güte, Treue, Mäßigung und Beständigkeit. Leider genügten nicht alle Ritter diesen Ansprüchen (z.B. die Raubritter, aber auch die anderen unterschieden zwischen Theorie und Praxis), obgleich sie adlig waren und eine besondere Vorbereitung bekamen. Die Beförderung zum Ritter durch Ritterschlag gibt es in Deutschland erst seit dem 14. Jh.

(siehe auch im Internet:
Von meiner Erziehung zum Ritter und von meiner Schwertleite, Die Ritter - berittene Haudegen oder heilige Kämpfer?, Abenteuer Mittelalter)

3. Der Grundstein für die Sportvereine wird gelegt

Der Umgang mit den Waffen musste ständig geübt werden. Kampfspiele gab es schon immer, aber im 12. Jh. wurden sie mit einem festen Formalismus und Regelwerk versehen. Das Turnier war entstanden. Zuerst standen Massenkämpfe im Vordergrund (wobei aber Wert auf Ausgewogenheit in Bewaffnung und Personenanzahl gelegt wurde), dann setzte sich im 13. Jh. der Zweikampf mit Lanze und Schwert durch. Nicht selten verlor ein Ritter Pferd und Rüstung an den Gewinner. Die Angelegenheit war sowohl für die Akteure als auch für die Veranstalter eine teure Sache und konzentrierte sich deshalb auf die Fürstenhöfe.
Mit der Zeit wurde das Turnier in höfische Veranstaltungen einbezogen und verlor an Funktion als militärische Übung. In einem Lehrgedicht heißt es dazu: "Turnieren erhöht den Wert eines Mannes, und wegen seines Wertes wird er von den Frauen gepriesen. Turnieren, das ist ritterlich.”
Im 15. Jh. bildeten sich neben den Fürstenhöfen noch Turniergesellschaften in Städten als Veranstalter von Turnieren. Die Kämpfe hatten mit heutigem Fechten wenig gemein. Entscheidend war das Material und die Kraft. Nicht selten wurde das Schwert verkehrt herum gehalten, um dem Gegner mit dem mächtigen Knauf Schaden zuzufügen (s. Bild) oder ihn mit der Parierstange zu "reissen". Die Schläge waren meist vom Zufall gelenkt und in der Abwehr baute man auf die Festigkeit der eigenen Rüstung.

Im Kampfordal: der linke Kämpfer steht gewappnet (d.h. er umfaßt zusätzlich mit der Linken die Klingenmitte und hält das Schwert schützend hoch) und pariert einen mordschlag (d.h. Schlag mit Parierstange und Schwertkopf)

(siehe auch im Internet: Die Geschichte des Turniers)

4. Der erste Beruf, die "Fechterer"?

Der Zweikampf war aber nicht nur eine Sache der Ritter beim Turnier, sondern hatte sich schon lange als ein rechtmäßiges Mittel etabliert, eine Streiterei zu beenden, bei der objektiv nicht zu entscheiden ist, wer recht hat: "...Das Eisen sollen sie aus der Scheide ziehen, wenn sie Erlaubnis haben, das Schwert zu führen. Vor den Richter sollen sie Beide gegurtet gehen und schwören, der Eine, daß die Schuld wahr sei, um die er den anderen beklagt hat; der andere daß er Unschuldig sei, wozu ihm Gott im Kampfe helfen möge...." Da es Personen gab, die nicht kämpfen konnten oder durften (z.B. Alte oder Geistliche), gab es Berufskämpfer, die einsprangen. Es waren die schon eingangs erwähnten Campiones, nun auch "Fechterer" genannt, vielleicht der erste schriftlich erwähnte Berufsstand. So griffen häufig auch Klöster und große Bistümer auf diese Profis zurück um ihre Rechte durchzusetzen. Adlige führten ihren Zweikampf im Kampfordal aus. Darauf bereiteten sie sich meist mit der Hilfe eines Fechtmeisters vor.
Die Rechte der Frauen wurden im Mittelalter regional differenziert behandelt. Während sie in der einen Gegend auf die Campiones zurückgreifen mußten, um ihr Recht zu verteidigen, stellten sie sich woanders (besonders im Spätmittelalter) selbst dem Gottesurteil. So zeigt nebenstehendes Bild einen Zweikampf zwischen Frau und Mann: um die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse auszugleichen, steht der Mann hüfthoch in einer Grube und seine linke Hand war locker an den Gürtel gebunden. Die Frau muß ihn aus der Grube ziehen oder er muß sie zu sich zerren.
Die Kirche begann mit der Zeit gegen das Gottesurteil Stellung zu beziehen: es gibt 1195 mit dem päpstlichen Dekret und seit dem 4. Laterankonzil 1215 ein Verbot des Zweikampfes. Defacto gab es gerichtliche Zweikämpfe noch bis in das 15. Jh.

Fechtbuch Hans Thalhofers 1467: Gerichtlicher Zweikampf: Da hat sie In gefaßt-by dem halß-vnd by sinem-züg-vnd wyl In vß der grüben ziehen

5. Das erste Fechtbuch: I.33

Die Kreuzzüge 1096-1291 zeigten den europäischen Rittern, daß Kämpfe nicht alleine durch Schwert und Rüstung zu gewinnen waren. Militärisch eine Katastrophe gaben die Kreuzzüge aber gesellschaftspolitisch wichtige Anstöße. Die Kreuzritter lernten neue militärische Techniken und anderes Gedankengut kennen, sowie Luxusgüter wie Zucker und Seide. Vielleicht das Wichtigste: sie bekamen wieder Achtung vor Bildung. Es wurden die vergessenen griechischen Gelehrten und Philosophen aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. Bildungszentren waren zunächst noch Klöster und große Kirchen. Der größte Teil der Bevölkerung waren Analphabeten.- Zwar ließ schon Karl der Große Schulen gründen, doch waren sie Klöstern und Bischofskirchen angegliedert und dienten der Ausbildung von Priestern und Mönchen (eine allgemeine Schulpflicht gab es erst 1717 in Preußen).
So ist es nicht verwunderlich, daß man das bisher älteste erhaltene Fechtbuch zu einem Kleriker des 13. Jh., wahrscheinlich der Sekretär des Bischofs zu Würzburg, zurückverfolgen kann. Es handelt sich um das Buch I.33 (Tower of London manuscript I.33, Royal library Museum, British Museum No. 14 E iii, No. 20, D. vi., Tinte und Wasserfarben auf Pergament). Gezeigt und erklärt werden einfache Techniken mit Schwert und Buckler (kleiner, stark gekrümmter Schild, oft mit Stechbuckel), Hiebe und Stiche, sowie Griffe und Schritte, die den Gegner entwaffnen.
Der abgebildete Lehrer hat eine Tonsur, was auch wieder ein Hinweis auf ein Kloster ist. Vielleicht war es ja ein Ritter in "Rente". Die Ritter, alles Adlige; fühlten sich dem Glauben verpflichtet und ein Leben im Kloster wäre für sie meist eine denkbare Alternative gewesen, zumal Schwestern und nachgeborene Brüder häufig ins Kloster oder Stift gingen. Entsprechend unterstützten sie diese Einrichtungen und verbrachten nicht selten den Lebensabend darin.

 
   
(siehe auch im Internet: "Anonymous Fechtbuch: Manuscript I.33" 13th century German Sword & Buckler Manual ,Das Kloster im Mittelalter )  

6. Die ersten Fechtschulen

Ab dem 11. Jh. verschob sich der Schwerpunkt langsam vom Land (die meisten Menschen waren bisher Bauern, viele davon Unfreie) in die Stadt. Seit dem 12 Jh. wurden die Städte bewußt gegründet, vielfach unter der Leitung eines Gründerkonsortiums. Die Städte befreiten sich von der Herrschaft ihrer Fürsten ("Stadtluft macht frei.") und sie erhielten Waffenrecht. Ab 1100 bildeten sich zur Wahrung gemeinsamer Interessen die ersten Handwerkerzünfte. Es begann langsam aber sicher eine neuen Aera. Die Menschen konnten sich spezialisieren und wurden etwas freier. Das hieß aber auch, daß die Stadtbürger sich selbst verteidigen mußten. Jede Zunft hatte ihren Beitrag beizusteuern, an Wehrpflichtigen und auch an Waffen. Dies wurde regelmäßig kontrolliert und protokolliert. Zudem unterhielten die Städte Söldner.Gab es auch schon vorher Lehrer, die z.B. Angeklagte auf einen gerichtlichen Zweikampf vorbereiteten, so wuchs nun in den Städten ein neuer Bedarf an kampfeskundigen Profis. Der bekannteste Meister des 14. Jhs. war Johann Liechtenauer. Seine Kunst wurde über ein Jahrhundert lang von Fechtmeistern streng überliefert, obwohl er selbst keine einzige Zeile geschrieben hat. Die Textschrift "Meister Johann Lichtenauers Fecht- und Ringkunst" wurde von seinem Schüler Hanko Döbringer 1389 (wahrscheinlich nach dem Tod Liechtenauers) verfaßt. Nach dessen Worten war Liechtenauer ein weitgereister und erfahrener Mann, der die Kunst perfekt beherrschte und als reines Brauchtum ansah, bei der es um Leben und Tod gehe. In der Schrift werden auch Fechtschulen erwähnt. Damals hatten sie aber eine andere Bedeutung: Fechtmeister hielten "schul" ab, um ihre Fähigkeiten und die ihrer Schüler öffentlich zu demonstrieren. Später wurden dabei auch Meisterprüfungen abgenommen und Kämpfe mit Meistern aus anderen Städten durchgeführt. Im diesem Zusammenhang muß man Döbringers Kritik an bestimmten Meistern seiner Zeit sehen, die er als "leychmeister" bezeichnete und die mehr Wert auf publikumswirksame Schau legen, als auf die alte Kunst Liechtenauers. Diese Fechtschulen (sie mußten vom Stadtrat genehmigt werden) enwickelten sich später derart zum Publikumsmagneten, daß an den betroffenen Sonntagen der Kirchbesuch merklich zurückging und die Geistlichen gegen diese Aufführungen Position bezogen.Das 13. und 14. Jh war auch die Zeit, in der die ersten Universitäten gegründet wurden. Zuerst mehr im Süden: Salerno, Bologna, Paris, dann auch Universitäten in Prag, Wien und Heidelberg vermittelten Theologie, römisches Recht und Medizin. Studenten aus allen Ländern trafen sich in diesen Bildungszentren und erlernten unter anderem auch die Kunst des Fechtens, die sie dann mit nach Hause brachten. Die Attraktivität auf Studenten schien so groß zu sein, daß z.B. kurz nach Gründung der Universität Heidelberg 1386 ein oft wiederholtes Verbot heraus ging, die Fechtschulen zu besuchen. Im Jahr 1421 wurde den Studenten nochmals verboten, die Kunst des Fechtens (ars dimicatoria, obwohl ars lat. Kunst bedeutet, hat es hier die Bedeutung von

aus Paulus Kals Fechtbuch (1471?)oben: zwei huten und leger (Grund- bzw. Ausgangsstellung), der linke Ritter zielt auf die ungeschützte Achselhöhle, der Rechte holt aus zum mordschlag oder zum schiessen (plötzlicher, kraftvoller Stich) Der linke Ritter droht sein Schwert zu verlieren und versucht mit dem tegen (langer Ritterdolch) in die Harnischgelenke des Gegners zu stoßen
Meister Paulus Kal verpflichtet sich, seineKunst in den Dienst des bairischen Herzogs zu stellen aus dem Fechtbuch Hans Thalhofers 1467: zwei schwierige Hiebführungen, der sturzhau(Hieb im Vorwärtsgehen) und der wechselhau (nach pariertem Hieb Angriff in ungedeckte Körperpartien- hier die unteren)

7. Die erste Fechtergilde

Das ausgehende Mittelalter wurde von vielen Plagen heimgesucht. Zwischen England und Frankreich tobte der Hundertjährige Krieg (1339-1453), das Römische Reich wurde von den Osmanen bedrängt (z.B. Schlacht bei Warna 1444), die sich schließlich auf dem Balkan festsetzten. War um 1340 der Höchststand der europäischen Gesamtbevölkerung ca. 73 Millionen Einwohner reduzierte sich die Zahl bis Mitte des 15. Jhs. aufgrund von Seuchen (z.B. die Pest), Kriege, Hungersnöte und der hohen Säuglingssterblichkeit auf 50 Millionen. Nach diesen harten Zeiten begann aber eine enorme Umwälzung auf allen Ebenen der menschlichen Existenz. Zwar wurden die Bevölkerungsverluste so schnell noch nicht ausgeglichen und die durchschnittliche Lebenserwartung war mit ca. 35 Jahren nicht sonderlich rosig, aber die wirtschaftliche Produktivität wuchs extrem. Sechs Leibeigene produzierten in diesen Zeiten etwa soviel wie 150 Sklaven in der Antike. Neben der wirtschaftlichen Intensivierung und der Eroberung neuer Welten (z.B. Amerika) reichten die technischen Fortschritte von der Erschließung neuer Verkehrswege (Straßen- und Kanalbau) bis zum enormen Aufschwung des Bergbaus und der damit verbundenen Eisengewinnung und –verarbeitung. In Deutschland taten sich besonders Passau, Solingen, Nürnberg, München und Steyr hervor;. Sehr gute Schwert- und Degenklingen wurden auch in Spanien (Tolenda, Mondragon und Sevilla) produziert, während besonders prachtvolle Stücke in Italien (Ferrara, Florenz, Mailand und Venedig) hergestellt wurden.
Das alles war ein Zeichen einer neuen Epoche: die Renaissance beginnt!
Den Ursprung legt man nach Italien. Hier tun sich besonders Florenz und Mailand sowie Genua und Venedig hervor. Es gibt keine Epoche, die soviel Universalgenies hervorgebracht hat. Neben berühmten Baumeistern sind Maler ( z.B. Leonardo da Vinci, aber auch Michelangelo, Raffael, Brunelleschi) zu nennen. Es war aber vor allem ein neues humanistisches Bildungsideal, das um sich griff und ganz Europa verändern sollte. In Rabelais’ Roman Gargantua und Pantagruel aus dem Jahr 1532 schreibt ein Vater an seinen Sohn, der in Paris studiert: „Darum ermahne ich Dich, geliebter Sohn, Deine Zeit ersprießlichen Studien zu widmen, und wünsche, daß du Dich der Sprache völlig bemächtigst. Im Griechischen bilde Deinen Stil am Plato, im Latein an Cicero. Vervollkommne Dich in Geometrie, Arithmetik und Musik, die Astronomie aber suche bis ins einzelne zu ergründen. Dahingegen flieh die Astrologie und Sterndeuterei als eitel Lug und Trug. Widme Dich der Kenntnis des bürgerlichen Rechts und eifere, es auch philosophisch zu erfassen. Vertiefe Dich allen Ernstes in die Naturkunde ... Vernachlässige mir keinesfalls die Medizin... Zu gewissen Stunden überlies auch die heiligen Schriften wieder. Aber damit Du nicht in Büchergelahrtheit versinkest, übe Dich gleichermaßen in allen ritterlichen Fertigkeiten, auf daß Du mein Haus und unsere Freunde gegen alle Übelwollenden mit gewappneter Faust zu verteidigen imstande seiest.“
Die Fechtkunst blühte in Italien. Die ständigen Reibereien der Stadtstaaten untereinander und der blühende Handel mit ganz Europa machten den Umgang mit der Waffen unumgänglich. Als einer der bedeutensten Meister seiner Zeit ist Fiore dei Liberi zu nennen. Er hat von deutschen Fechtmeistern gelernt und diese Kunst seinen Vorstellungen angepaßt. Nach Italien zurückgekehrt hat er an verschiedenen Schlachten teilgenommen. Ab ca. 1400 war er am Fürstenhof in Ferrara. 1410 brachte er sein Fechtbuch „ Flos Duellatorium in Armis“ als Lehrbuch für Adlige heraus.

Etwas zeitverzögert kam die Renaissance auch in den Norden. Hier hatte sich die Fechtkunst weiter etabliert. Bedingt durch die neue Vormachtstellung der Städte, unterstützt durch die Studenten in den Universitäten und den neu aufkeimenden Zeitgeist, als Vorbild die Zünfte und aufgebaut durch die alten Fechtmeister begann sich die Fechterei im stärker werdenden Bürgertum Deutschlands zu organisieren. Es mag an der zentralen Lage und der Infrastruktur Richtung Süden gelegen haben, jedenfalls bildete sich in Frankfurt die erste bekannte Vereinigung nach Vorbild der Zünfte und Bruderschaften: die Gesellschaft der Marxbrüder. Der erste Nachweis ist ein Kassen und Protokollbuch aus dem Jahre 1474. Die Fechtergesellschaft nannte sich „Gemeine Bruderschaft unserer lieben Frauen der reinen Jungfrau Mariens und des heiligen und gewaltsamen Himmelsfürsten Sankt Marxen (Markus)“.Es trafen sich regelmäßig zur Herbstmesse in Frankfurt alle Meister und bestimmten in geheimer Wahl einen Hauptmann, der von vier anderen Meistern unterstützt wurde. Die Bruderschaft war eine eingeschworene Gemeinschaft. Ausbilden durfte nur, wer selbst in der Gilde nach einer Prüfung zum Meister ernannt wurde. Ab und zu hielt man Schul ab und demonstrierte in Schaugefechten (auch turniermässig mit anderen Gilden) die erlernten Fähigkeiten. Mitglieder waren meist Handwerker: Bäcker, Schmiede, Schellenmacher u.a., später auch Studenten. Die Marxbrüder stiegen dermaßen schnell im Kurs, daß sie 1487 von Kaiser Friedrich III. in Nürnberg den ersten Privilegienbrief bekamen, der u.a. beinhaltete, daß kein anderer Fechter bezahlten Fechtunterricht geben oder eine öffentliche Veranstaltung, eine sogenannte Fechtschul, abhalten dürfe: Wir Fridrich von Gottes gnaden Römischer Kaiser zu allen Zeitten merer deß Reichs zu Hungern Dalmatien Croatien reg. König Ertzherzog zu Ostreich zu Steyr zu Kernten und Grave zu Tirol Bekennen offentlich mit diesem Brieff und thun kundt allermeniglich. Daß wir N. den Meystern des Schwerts diese sondere gnad gethan und inen gegönnt und erlaubt haben Thun gönnen und erlauben inen auch von Römischer Keyserlicher macht wissentlichen in Kraft des Brieffs also daß nun hinfuro allenthalben in dem heyligen Reich sich niemand einen Meister des Schwerts nennen Schul halten noch um Geld lehrnen sol Er sey dann zuvor von den Meystern deß Schwerts in seiner Kunst probirt und zugelassen. ( Was würde dazu wohl das Kartellamt und die neue Rechtschreibreform sagen?).
Wie überall gab es aber auch Menschen, die anders dachten. Ein Teil dieser freien Fechter fanden zueinander und gründeten die Gesellschaft der Freifechter von der Feder von Greifenfels, kurz Federfechter genannt. Aufgrund von Zunftstreitigkeiten kamen die Mitglieder aus anderen Berufen als die Marxbrüder: Heftleinmacher, Schlosser, Hutmacher, Goldschmiede, Schuhmacher u.a. Ihr Wappen führten sie 1570 ein und bekamen es 1607 offiziell bestätigt. Gegen den heftigen Protest der Marxbrüder ließ der Rat der Stadt Frankfurt 1575 ebenfalls eine Schul dieser Bruderschaft zu.
Es soll sich noch eine weitere Fechtergesellschaft etabliert haben: die Lukasbrüder. Sie waren recht rauflustige Burschen, deren Kämpfe oft blutig endeten. Vielleicht kommt von deren Veranstaltungen mit anderen Gesellschaften der Ausdruck "Hau den Lukas".

Wurden diese öffentlichen Veranstaltungen zunächst nur ein zweimal im Jahr abgehalten, steigerte es sich besonders in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s auf mehrere Male im Monat. Man begann Eintrittsgelder zu kassieren, tingelte auf Jahrmärkten herum und neue Mitglieder waren oft nur noch den Gilden beigetreten, um legal Waffen tragen zu können.

(siehe auch im Internet: The Art of Renaissance Science, WebMuseum: Famous Paintings exhibition, Fiore de' Liberi "Flos Duellatorum", Albrecht Dürers Fechtbuch / von Friedrich Dörnhöffer , Fechtergilden im Mittelalter, Einflüsse der Bruderschaften und Zünfte auf das gesellschaftliche Leben

oben: aus Fiore dei Liberi "Flos Duellatorium in Armis" 1410: greif dir seine Klinge und trett ihm eine ans Bein; sein Wissen hat er von deutschen Meistern des späten 14. Jh.s  
oben: Wappen der Marxbrüder; sie wurden erstmals 1474 in Frankfurt erwähnt Wappen der Federfechter; sie wurden in der 2. Hälfte des 16. Jh.s eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die Marxbrüder
links: Fillipo Vadi, Liber de Arte Gladitoria Dimicandi (ca. 1487); einer der Großen seines Fachs in Italien des 15. Jh.; eigentlich ein Fachbuch über den Kampf mit dem Schwert, wird hier auch der Umgang mit der Lanze gezeigt. rechts Albrecht Dürer; (ca. 1520) seine Quelle ist das Leben. Er beobachtete das Treiben in den Fechtschulen und malte einige Bilder mit Langschwertübungen, Messerfechten und Degen (dagger). Er war kein Fechtmeister, hatte aber bestimmt auch an Übungen teilgenommen. Er hat das Buch weder fertiggestellt noch veröffentlicht.

8. Das Fechten wird modernisiert

Die Renaissance wird als der Aufbruch Europas in die Moderne angesehen, während das Mittelalter als das dunkle Zeitalter (dark ages) hingestellt wird. Aber ohne die Anstrengungen im Mittelalter gäbe es keinen Aufbruch. Auch war das Mittelalter nicht nur karge zugige Burgen und Inquisition (die gab es übrigens auch später noch) sondern auch die Bauzeit der Dome und Kathedralen, ein reger Lernprozess vom Osten (Marco Polo), die Heiligen Kriege hatten nicht nur grausige Schlachten sondern auch unsere Universitäten zur Folge.Die Fortschritte in der Metallverarbeitung, das Aufkommen des Bürgertums und der Städte sowie schliesslich auch eine sich ändernde Kampfstrategie sollten sich auf die Kunst des Fechtens niederschlagen. Die Verwendung des Pulvers in Europa im 14. Jh. spielte zunächst nur eine begrenzte Rolle, speziell bei Belagerungen von Festungen bekam die neue aus China importierte Technik aber eine immer grössere Bedeutung. Bei den Handfeuerwaffen dauerte es noch etwas, bis man hinter der Mündung wirklich sicherer war als vor ihr! Erst weitere Fortschritte in der Metallverarbeitung und besonders die Entwicklung des Steinschlosses im 17. Jh. verhalf der der Schusswaffe langsam zum Erfolg.

 

  Das Rapier, die Waffe des städtischen Bürgers, kam Anfang des 16. Jh. in Italien auf. Zunächst bekam es zur besseren Führung einen Daumenring und als besonderen Handschutz terzseitig (gegenüber dem Daumenring) ein Geflecht, das man Eselshuf nannte. Mit der Zeit vergrösserte man es zum sogenannten Gefäß. Die Waffen wurden immer prachtvoller und entwickelten sich zum Statussymbol. Oben eine Abbildung aus Sutors "New künstliches Fechtbuch" (1612).

 

Zunächst einmal kam im Bürgertum der Städte eine neue Art von Schwert zur Blüte. Bedingt durch die verbesserte Verarbeitung konnten die Klingen schmaler, leichter und preiswerter werden, das Rapier entstand. Es hatte eine ein- oder zweischneidige Klinge und mit der Zeit bekam es zu der Parierstange einen besseren Handschutz: das Gefäss oder die Glocke. In seiner Funktion als Stichwaffe gleicht es einem langen Dolch. Das Rapier wird heute Degen genannt und die Wortwurzel liegt in "degger" (=Dolch). War der Schwertkampf der Ritter noch eine noch eine Materialschlacht, in der die Rüstung eine wichtige Rolle spielte, entwickelte sich nun, mit leichteren Waffen und ohne Ganzkörperwehr, ein neuer Fechtstil. Der Name besonders eines Mannes steht für die neue Denkweise. Die Fachtermini, die er einführte, werden noch heute im Sportfechten benutzt. Der Italiener Camillo Agrippa war ein bekannter Ingenieur, Mathematiker und Philosoph, eben ein typisches Univeralgenie der Renaissance, der mit seinen Ideen manches "umkrempelte". Wie auch andere italienische Meister (z.B. Achille Marozzo: Opera Nova, 1536) erkannte er die Vorteile des Stosses gegenüber den Hieben und Schlägen: der Fechter kann mit Stössen seinen Angriff schneller und unberechenbarer vortragen. In seinem Werk "Trattato Di Scientia d´ Arme" (1553) beschreibt er die neue Technik und führt die vier Faust- und Klingenlagen Prim, Seconde, Terz und Quart ein.
Aufgegriffen wird der Fechtstil von Angelo Vigiani aus Venedig ("Lo Schermo", 1572), der zusätzlich noch die Haltung des linken Armes beim Angriff behandelt. Weiter verfeinert wurde die Fechtkunst durch Giacomo di Grassi's "Ragioni di sicuramente l'arme" (1570), eine englische Ausgabe folgt 1594.

Das erste deutsch-sprachige Fechtbuch, in dem das Rapierfechten aufgenommen wurde, kam von Joachim Meyer, einem Fechtmeister der Marxbrüder aus Strassburg, dessen Kunst auf Marozzo zurückgehen soll: "Gründtliche Beschreibung der freyen Ritterlichen vnnd Adelichen kunst des Fechtens in allerley gebreuchlichen Wehren mit vil schönen vnd nützlichen Figuren gezieret vnd fürgestellet...." (1570, weitere Auflagen 1600, 1610, 1660). Er führt einen Angriff ein, der einem heutigen Ausfall sehr ähnlich kommt: vorgezogener rechter Fuss und lang vorgestreckter rechter Arm zum Stoss. Es soll aber noch etliche Jahrzehnte dauern, bis sich das Stossfechten wirklich etabliert. Bei Meyer wird wie bei vielen Meistern die ganze Palette der Brauchwaffen behandelt: Kurz- und Langschwert, Fechten mit ganzen und halben Stangen sowie Hellebarten u.a.

 

Der Römer Camillo Agrippa war mit seinem Fechtbuch Mitte des 16. Jhs massgeblich an der Modernisierung der Fechtkunst beteiligt. aus Agrippa "Trattato Di Scientia d Arme" (1553): Der Meister im Kreise seiner Schüler. Die Illustrationen in dem Manual werden Michelangelo Buonarotti zugeschrieben.
Als Kind seiner Zeit ging Agrippa die Fechterei wissenschaftlich an. Agrippa reduzierte Marozzos Systematik auf überschaubare vier Faust- und Klingenlagen. Meist wurde mit der linken Hand ein Dolch geführt oder ein Mantel zur Abwehr benutzt.
Di Grassi beschreibt 1570 nicht nur einen verfeinerten Fechtstil, sondern legt auch sehr grossen Wert auf Fitnis, Urteilsvermögen und auf den Sicherheitsaspekt: Treffen ohne getroffen zu werden! Jacob Sutor liess das Wissen der Fechtmeister aus dem 16. Jh. in sein Buch einfliessen.


9. Die erste Sportwaffe

Meyer gibt auch Anweisungen zum Dussakfechten. Diese hölzerne Hiebwaffe wurde wahrscheinlich Mitte des 16.Jh. von den Federfechtern aus Böhmen eingeführt. Sie hatte eine breite Klinge, war 60 bis 70 cm lang, der Griff bestand aus einem faustgrossen Loch im breiten Ende. Der Fechter hatte entweder einen Handschuh aus Eisen oder Leder an. Durch das geringe Gewicht konnte man schneller reagieren und wegen der geschützten Hand konnte man in der Parade die gegnerische Klinge abfangen und selbst die Spitze ins Ziel bringen ("In die Stärk sollst du versetzen mit der Schwäch zugleich verletzen": ein Schachzug, der auch später im Sportfechten noch angwandt wird; die Stärk ist der Klingenteil vor der Glocke, die Schwäch ist bei der Klingenspitze). Waren die hölzernen Kanten im Kampf erst einmal abgeschliffen, waren ernsthafte Verletzungen nicht mehr möglich. Den Dussak kann man als erste Sportwaffe ansehen. konnte man in der Parade die gegnerische Klinge abfangen und selbst die Spitze ins Ziel bringen ("In die Stärk sollst du versetzen mit der Schwäch zugleich verletzen": ein Schachzug, der auch später im Sportfechten noch angwandt wird; die Stärk ist der Klingenteil vor der Glocke, die Schwäch ist bei der Klingenspitze). Waren die hölzernen Kanten im Kampf erst einmal abgeschliffen, waren ernsthafte Verletzungen nicht mehr möglich. Den Dussak kann man als erste Sportwaffe ansehen.

Die Fechtmeister lehrten ihren Schülern nicht nur die Brauchkunst, sondern versuchten auch, ihnen Verhaltensmassregeln und "Benimm" beizubringen (Knigge für Fechter):

„Ein Fechter soll sich halten fein,
Kein Rühmer, Spiler, Sauffer sein.
Auch nit Gotteslestern noch schweren,
Und sich nit schemen zu lehren.
Gottesfürchtig, Züchtig, dazu still,
Sey messig, erzeug den Alten ehr
Und dem Weibsbild auch weiter hör,
Alles tugendt ehr und manlichkeit,
Der sollt sich fleißen allezeit,
Auff das du dienen könnst mit ehren,
Keyser, König, Fürsten und Herren,
Auch nützlich seyest demVatterland,
Und nicht der edlen Kunst ein Schandt.“

Joachim Meyer, Freyfechter zu Straßburg (?)


oben: in den Fechtschulen des 16.Jhs. erfreute sich der Dussak grosser Beliebtheit. Ausgebildet wurde aber neben Schwert und Rapier auch mit Stangen, Hellebarten und anderen Waffen.
   
Wenn man Nachts von der Feier nach Hause geht hat Sutor den passenden Rat: "Jehetsu, daß einer mit einem Flegel bey der Nacht zu dir kompt, vnd will dir schlagen: Wie es denn bißweilen auff den Academiis der gebrauch ist, wenn man von Tisch gehet, vnd von der Wacht angegriffen wird, wenn offt einer etwas zuvor bey der Wache gethan hat, vnd ein anderer kompt, der da muß entgelten, was andere angerichtet haben: so schlage du den Manttel vber den lincken Arm, vnd vnderlauffe ihm den Flegel mit ganzer gewalt, daß derjenige, so da schlagen will, vberhinschlegt, Bistu aber eines mechtig, so reisse du ihm den Flegel auß seiner handt, zu Beschüßung deines Leibes vnd Lebens."
   
Das Bild von Meyer (1570) erinnert an modernes Grundlagentraining der heutigen Tage: der Meister kontrolliert die Stossübungen des Schülers, während im Hintergrund Fechter Partnerübungen oder Freigefechte machen.

Fechtmanuale zum downloaden: Camillo Agrippa "Trattato Di Scientia d´ Arme" (1553) PDF Format Digital Transcription Copyright 1999, William E. Wilson
Jacob Sutor "New künstliches Fechtbuch" (1612, hier in einer Neuauflage von 1849) PDF Format Digital Transcription Copyright 1999, Peter R. Valentine
Giacomo di Grassi's "Ragioni di sicuramente l'arme" (1570, it.) PDF Format Digital Transcription Copyright 1999, William E. Wilson.